USA-Garantien für die Palästinenser
Beirut, 18. September 1982. Überlebende der letzten beiden Tage sammeln sich im Sportstadion der libanesischen Hauptstadt, inmitten der schon bei den israelischen Luftangriffen in den ersten Junitagen verwüsteten Zuschauerränge. Bewaffnete der libanesischen Rechtsmilizen treiben sie heran. Im Stadion sortiert der israelische Geheimdienst jene, denen der Tod erspart geblieben ist, jene, die nicht in den Ruinen von Sabra oder Schatila erschossen oder erschlagen wurden. Wer von den Bewohnern der beiden palästinensischen Flüchtlingslager im südlichen Beirut noch einmal Glück hat, erhält einen Stempel in seine Identitätskarte. Er darf gehen. Die anderen werden auf Lastwagen fortgeschafft, nach Süden, ins Lager al-Ansar.

Der Korrespondent des amerikanischen Nachrichtenmagazins "Time" beobachtet:
"Am Stadion fragte ein israelischer Offizier über Lautsprecher, ob jemand aus Schatila anwesend sei. Einige Leute melden sich. Als sie erzählen, was dort geschehen ist, reißt der Offizier sein spitzes Käppchen vom Kopf und schleudert es mit einem wilden Fluch auf die Erde."
Was ist geschehen? Woher der Zorn des israelischen Offiziers?

Die ersten ausländischen Journalisten gelangen nach Sabra und Schatila. Die könnten die Erklärung geben.

Robert Fisk in der Londoner "Times":
"Ich fand ein kleines, unzerstörtes Haus mit einem braunen Metalltor, das zu einem engen Hof führte. Irgendein Instinkt ließ es mich öffnen. Die Mörder waren gerade gegangen. Dort lag auf dem Boden eine junge Frau. Sie lag auf dem Rücken, als würde sie in der Hitze ein Sonnenbad nehmen, und das Blut, das unter ihrem Rücken hervorlief, war noch naß. Sie lag, die Füße zusammen, die Arme ausgestreckt, als habe sie in ihrem letzten Augenblick ihren Retter gesehen. Ihr Gesicht war friedlich, die Augen geschlossen, wie eine Madonna. Nur ein kleines Loch in ihrem Leib und die Flecken auf dem Hof erzählten von ihrem Tode."
Gerd Schneider, der Korrespondent des Österreichischen Rundfunks, beobachtet:
"Einige Leichen waren an den Händen gefesselt. Obwohl die Toten in der prallen Sonne bereits in Verwesung übergegangen waren, ließen sie noch immer Merkmale von Verstümmelungen erkennen: durchgeschnittene Kehlen, zertrümmerte Gesichter und Fehlen von Gliedern. Vieles deutet auch darauf hin, daß ganze Familien ausgelöscht wurden, während sie beim Abendessen saßen..."
Nicht einmal drei Wochen sind vergangen, seit die letzten Kämpfer der PLO West-Beirut verlassen haben. Die Führung der palästinensischen Widerstandsbewegung hatte erst dann in einen Abzug eingewilligt, als sich in den Papieren, die der us-amerikanische Sonderbeauftragte Philip Habib mit dem libanesischen General Nabil Kuraitim vereinbaren wollte, eine Garantie fand, eine Versicherung für all die zurückbleibenden palästinensischen Zivilisten, für die Mütter, Frauen, Schwestern und Kinder der ausziehenden Verteidiger. Der entscheidende Satz lautete:

"Die Regierungen Libanons und der Vereinigten Staaten werden angemessene Garantien für die Sicherheit der gesetzestreuen palästinensischen Zivilisten leisten, einschließlich der Familien jener, die das Land verlassen."

Und dann weiter im Text der Habib-Papiere: "Die libanesische Regierung wird ihre Garantien auf der Basis von Zusicherungen leisten, die sie von bewaffneten Gruppen erhalten hat, mit denen sie in Kontakt stand. Die Vereinigten Staaten werden ihre Garantien auf der Basis von Zusicherungen leisten, die sie von der Regierung Israels und der Führung gewisser libanesischer Gruppen, zu denen es Kontakte gab, erhielten."

Alles klar: Israel und die libanesischen Rechtsmilizen haben zugesagt, den palästinensischen Zivilisten kein Haar zu krümmen, und die USA verbürgten sich dafür. Garantieren sollte das auch die Anwesenheit einer Multinationalen Streitmacht: der amerikanischen Marines, der französischen Fremdenlegionäre und der italienischen Bersaglieri mit den Hahnenfedern an den Helmen. Sie sollten eigentlich bis zum 21. September in Beirut bleiben. Der amerikanische Diplomat George Ball schreibt später: "Wir haben unser eigenes gutes Vertrauen in Israels Ehrenwort gesetzt, sonst hätte die PLO niemals darin eingewilligt, abzuziehen. Die PLO-Führer vertrauten Amerikas Versprechen, das allermöglichste zu tun, um zu sichern, daß Israel seine Versprechen hält... Sie hätten niemals einem israelischen Versprechen getraut, aber uns trauten sie. Wir haben sie betrogen. "

Der Krieg war also vorbei. Ruhe herrschte in Beirut. In den Lagern von Schatila und Sabra hörte man das Kreischen der Sägen, das Klopfen der Hämmer. Provisorisch wurde instand gesetzt, was instand zu setzen war.

Der Krieg war vorbei. Am 9. September hatte Philip Habib seinen wohlverdienten Urlaub angetreten. In Washington war er zuvor noch von Ronald Reagan mit dem höchsten amerikanischen Zivilorden, der "Freiheitsmedaille", ausgezeichnet worden, ja, man sprach sogar vom Friedensnobelpreis. Schon am 8. September hatten die amerikanischen Soldaten begonnen, Beirut zu verlassen, am 11. folgten die Franzosen und am 13. die Italiener.
Freunde Palästinas